Es ist eine Entwicklung, die selbst Branchenexperten noch vor einigen Monaten kaum für möglich gehalten hatten: Unternehmenskredite werden immer seltener nachgefragt. Für Außenstehende sieht es danach aus, als ob die deutschen Banken mit allen Mitteln um die Gunst der Finanzchefs kämpfen müssten. Doch die CFOs im Mittelstand und in den größeren Konzernen zeigen sich davon unbeeindruckt. Sie suchen nach Alternativen zur klassischen Kreditvergabe, wenn die Liquidität einmal nicht ausreicht oder wenn größere Finanzierungen zu tätigen sind.
Kreditaufnahme verliert an Reiz
Auf dem Markt zeichnet sich derzeit ein überraschender Trend ab. Die Finanzchefs deutscher Unternehmen sind kaum daran interessiert, einen Kredit zur Finanzierung von bestimmten Vorhaben aufzunehmen. Das jedenfalls zeigt eine Analyse der Kreditbank KfW. Sie belegt, dass das Neugeschäft bei Banken und Sparkassen im dritten Quartal des letzten Jahres zum ersten Mal seit 18 Monaten zurückgegangen ist. Der Rückgang ist mit 2,9 Prozent durchaus erheblich. Für die Banken ist dieser Trend nicht erfreulich. Dazu muss man wissen, dass die Kreditvergabe eine wichtige Einnahmequelle für die Banken ist. Immerhin 73 Prozent der operativen Einträge in den deutschen Banken werden durch einen Kredit verursacht. Obwohl die Zinsen derzeit niedrig sind, bleibt die Nachfrage nach Finanzierungen also gering. Es scheint, als sollten die Finanzchefs kein Interesse daran haben, Investitionen zu tätigen, die ihre Finanzreserven auffressen und damit zur Kreditaufnahme zwingen. Es zeigt sich derzeit, dass günstige Kreditkonditionen allein noch nicht ausreichen, um die Zahl der Vertragsabschlüsse für Finanzierungen in die Höhe zu treiben. In den Vorstandsetagen der Bankhäuser geht man davon aus, dass Unternehmenskredite in Zukunft nur dann wieder nachgefragt werden, wenn die Investitionsbereitschaft im Mittelstand nachhaltig zunimmt.
Die Krise hat geprägt
Es sieht so aus, als ob viele CFOs aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt hätten. Und auch die aktuelle Lage in den Schwellenländern wie Brasilien oder sogar China bringen die CFO‘s dazu, sich an der eigenen Liquidität zu orientieren und sich ein solides Finanzpolster zu schaffen. Offenbar haben die Banken seit der Finanzkrise des Jahres 2009 an Vertrauen bei ihren Kunden gewonnen, als einige Geldhäuser in Schwierigkeiten gerieten. Doch selbst wenn mittelständische Unternehmen jetzt wieder verstärkt investieren, heißt das noch nicht, dass die Kreditnachfrage steigt, denn zuerst baut man üblicherweise Liquiditätsreserven ab, bevor es an die Kreditanfrage geht. Die Deutsche Bank beispielsweise geht mit der schwächelnden Nachfrage auf ihre eigene Art und Weise um. Der Bereich Global Transaction Banking GTB wurde grundlegend neu strukturiert. CEO John Cryan will die Gunst der Stunde nutzen und sein Geldhaus wieder zur Konkurrenz aufschließen lassen. Die Neuordnung im Bereich Global Transaction Banking GTB ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Und auch die Commerzbank positioniert ihr Firmengeschäft neu. Schon im Jahr 2014 hat sie den Jahresüberschuss deutlich gesteigert, jetzt sieht sie in diesem Marktsegment einen attraktiven Schwerpunkt. Vor allem möchte man die Beziehungen zu den Firmenkunden im digitalen Bereich stärken. Die Sparkassen sind von dem neuen Trend am Kreditmarkt offenbar nicht betroffen. Kleinunternehmen fragen weiterhin Finanzierungen an und halten die Kreditnachfrage so stabil.
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